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Hittisau Aktuell

Land|Gespräche|Hittisau

Tagung am 30. September 2023 zum Thema „KULTURLANDSCHAFT“.

Ungeachtet sommerlicher Temperaturen konnten erneut rund 250 Besucher/innen im Bergmann-Saal begrüßt werden.

Unter der fachkundigen Moderation der Landschaftsarchitektin Maria-Anna Schneider-Moosbrugger referierten Architekt Prof. Roland Gnaiger: Kultur und Landschaft - zur Begriffsbestimmung zweier Begriffe, aus der Schweiz die Naturpark-Verantwortliche Katharina Conradin: „Was Landschaftswandel mit unserem Heimatgefühl macht“, der ehemalige Zürcher Stadtrat Martin Waser: Kulturlandschaft mit Hilfe politischer Prozesse gestalten, die Agrarforscherin Beatrice Schüpbach: der Beitrag der Landwirtschaft zur Landschaftsqualität. Josef Türtscher berichtete vom Entstehen des UNESCO Biosphärenparks Großes Walsertal („Aus der Not eine Tugend“), der junge Architekt Valentin Zech präsentierte Ideen zu einer Architektur in Schigebieten ohne Schnee, das Duo Manuel Peter und Julius Fink von der HAK Bezau die Ergebnisse ihre Studie zum Potenzial der Renaturierung von Mooren, Fließ- und Stillgewässer in Vorarlberg.

Weitgehend Konsens bestand unter den Vortragenden wie im Podium (Herlinde Moosbrugger/Bregenzerwald-Tourismus, Carola Bauer/Naturpark Nagelfluhkette, Tobias Bischofberger/Mellau und Christina Timmerer/Bäuerin), dass Veränderungen in der Landschaft nicht nur weiter möglich sein sollen, sondern notwendig, wo Fehlentwicklungen, die auch die Identifikation der Menschen mit ihrer Gegend gefährden (Artensterben, Zersiedelung, Verbrauch fruchtbarer Böden, etc.), zu korrigieren. Allerdings geht es um bewusstes und zielgerichtetes Handeln, aber auch darum, Projekte möglichst im Konsens mit Betroffenen, z.B. Grundeigentümern, umzusetzen. Der Bürgermeister von Doren und Regio-Obmann Guido Flatz berichtete vom Stand der Erarbeitung eines Landschaftsentwicklungskonzepts Bregenzerwald und unterstrich, dass für eine positive Entwicklung das Gemeinwohl vor dem Eigennutz zu gehen hat.

Die nächste Veranstaltung findet am 28. September 2024 statt.

Information und Anmeldung unter tourismus@hittisau.at.

Die Land|Gespräche|Hittisau verstehen sich als Veranstaltungsreihe. Jährlich findet Ende September / Anfang Oktober in der Bregenzerwälder Gemeinde eine Tagung im interaktiven Format zu aktuell wichtigen Fragen des dörflichen Zusammenlebens statt. Nach den Themen „Wohnformen der Zukunft“ 2018, „Bildung“ 2019, „Mobilität“ 2020, „Gesundes Altern“ 2021 und „Dörflicher Zusammenhalt“ 2022, „Kultur-Landschaft“ 2023 sollen in den kommenden Jahren weitere drängende Fragen des ländlichen Raums Gegenstand der Gespräche sein.

Die Reihe entstand aus dem unmittelbaren Bedarf an Wissen und Expertise im Ort heraus. Dessen ungeachtet sind alle Interessenten, die das jeweils in den Mittelpunkt gestellte Thema anspricht, vor allem die jungen Menschen der engeren und weiteren Umgebung herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.

Die Tagungen werden ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel organisiert. Die finanzielle und vor allem auch inhaltliche Unabhängigkeit ist den Organisatoren – Johann Steurer, Hermann Hagspiel, Markus Faißt – wichtig und nur möglich durch den freiwilligen Einsatz vieler Beteiligter sowie dank der Sponsoren aus der Wirtschaft, die Finanzmittel für die Abdeckung der unweigerlich anfallenden Kosten (Referenten, Saaltechnik und Bewirtung, Kommunikation, Ergebnisheft usw.) in großzügiger Weise zur Verfügung stellen. Der besondere Dank ergeht 2023 an baumschlager eberle Architekten, KR Claus Haberkorn, HK Architekten Hermann Kaufmann, Zimmerer Nenning OG, Raiffeisenbank Vorderbregenzerwald und die Rupp Austria GmbH.

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Rückblick auf die bisherigen Veranstaltungen (mehr Information in den Ergebnisheften – siehe Links auf dieser Seite):

„Gemeinde.Leben – was ein Dorf zusammenhält“

Einig waren sich die Referent/innen am 8. Oktober 2022, dass es das Dorf von früher nicht mehr gibt, dass das Landleben in den letzten 40 Jahren eine enorme Veränderung, Modernisierung und in vielen Aspekten Angleichung an städtische Werte und Formen des Zusammenlebens erlebt hat.

Prof. Erika Geser-Engleitner von der FH Vorarlberg zeichnete den historischen Wandel nach: Ging im Dorf früher das Kollektiv über das Individuum mit gesellschaftlicher Sanktion für Abweichungen von einem starren Normenkorsett, so hat das soziale Netz inzwischen riesige Löcher bekommen. Die Dorfgemeinschaften sind heterogener geworden, bleiben jedoch Sehnsuchtsorte in Zeiten der Globalisierung. Die erwartete Interaktion mit Natur und Mitmenschen ist indessen kein „Selbstläufer“; für ein „neues Wir“ müssen Kräfte gebündelt werden, eine gute Daseinsversorgung gesichert und Zugezogene miteinbezogen werden.

Dr. Thomas Milic vom Liechtenstein-Institut ging der Entscheidungsbildung in Sachfragen auf Gemeindeebene nach. Nur selten erfolgt diese rein rational unter systematischer Informationsbeschaffung; Gefühle spielen eine wichtige Rolle, aber auch affektive Bindungen an Personen oder Parteien, deren Urteil man der Einfachheit halber vertraut. Emotionen wie Angst oder Empörung müssen nicht nur negativ sein, sondern können zu einer intensiveren Befassung mit dem Thema führen. Grundsätzlich hält Milic ein demokratisches „Entscheidbildungssystem“ auf lokaler Ebene für ideal.

Der Psychiater Prof. Reinhard Haller sieht in der kleinen Gemeinschaft des Dorfs mehr Vorteile als Nachteile; erstere - Natur, soziale Nähe und Sicherheit - gelte es zu stärken, letztere - Familien- und andere Streitigkeiten möglichst zu überwinden. In einer Welt der „Ein- bzw. Kein-Kind-Familien“ stehe ein Kampf gegen die Vereinsamung bevor. Die Dörfer hätten hier bessere Chancen. Doch auch hier würden Handwerker, früher wichtige „Rädchen im Getriebe“, durch austauschbare Chips in Massenware ersetzt, ebenso wie das Erfahrungswissen der Alten durch das Internet. Anstatt der „Unkultur der Beschämung“ müsse wieder eine „Wertschätzungskultur“ entstehen, die dem menschlichen Urbedürfnis nach Zuwendung und Anerkennung gerecht werde.

Kriemhild Büchel-Kapeller vom Büro für freiwilliges Engagement und Beteiligung sowie Regine Rist, Ortsvorsteherin von Taldorf/Württemberg, skizzierten ihre Schlussfolgerungen aus langjähriger Erfahrung mit Bürgerbeteiligung und konfliktreichen Entscheidungssituationen auf Gemeindeebene. Wichtig sei es, „Scheinbeteiligung“ zu vermeiden, Ehrlichkeit auf der Sach- wie Beziehungsebene zu pflegen, Versprechen zu halten. Rists Erfahrung: „Der Bürgerschaft ist echt viel zuzutrauen“. Selbst Menschen, die mit dem Ergebnis am Ende unglücklich seien, würden den Prozess schätzen.

Absolventinnen der FH Vorarlberg präsentierten die Ergebnisse ihrer Befragung von jungen Erwachsenen, die (nicht mehr) im Dorf leben: Diese wollen v.a. gehört und wertgeschätzt werden, fordern mehr Offenheit für Zugezogene und alternative Lebenskonzepte in Landgemeinden. Ein Aufwachsen auf dem Land möchten viele, die nach der Ausbildung zurückkehren, auch ihren Kindern ermöglichen.

In der Podiumsdiskussion mit Lisa Nardin (Absolventin der FH), den Vizebürgermeister*innen Marion Maurer (Sibratsgfäll), Angelika Moosbrugger (Wolfurt) und Anton Gerbis (Hittisau) sowie Bertram Meusburger als Moderator ging es v.a. um ein Ernstnehmen der Anstöße der Jungen, die Einbeziehung der „Zweiheimischen“, um neue Begegnungsformen und -orte im Dorf und um kleine konkrete Schritte zur Steigerung von Lebensqualität unter Einbeziehung der Betroffenen anstelle von Perfektionismus und großen oft nicht erreichbaren Visionen.

„Ziemlich gute Jahre. Die Zukunft des Älterwerdens im ländlichen Raum“

Am 9. Oktober 2021 fand die 4. Tagung der Reihe Land|Gespräche|Hittisau statt. Die Vorträge der vielfach begeisternden Redner*innen kreisten um die „bio-psycho-soziale Gesundheit“ im Älterwerden mit besonderem Augenmerk auf der Situation in ländlichen Regionen. Trotz noch vielerorts intakter Strukturen des dörflichen Zusammenlebens erodieren auch hier die sozialen Netze und stoßen wichtige Betreuungsdienste an ihre personellen und finanziellen Grenzen.

Eigeninitiative ist daher gefragt, so lautete der durchgehende Tenor in der hochstehenden Diskussion.

Erika Geser-Engleitner von der Fachhochschule Vorarlberg machte anhand empirischer Zahlen auf die kritische Entwicklung bei Pflegediensten aufmerksam: 24 Stunden-Hilfen nehmen vor allem auf dem Land zu; mit über 3100 Vollzeitäquivalenten übersteigen sie bereits jetzt bei weitem die Zahl der Pflegepersonen in stationären und ambulanten Einrichtungen in Vorarlberg (ca. 2300). Zudem hören 37 % der neuen Pflegekräfte bereits im ersten Berufsjahr wieder auf. Die Ungleichzeitigkeit von Tradition und Moderne infolge der Angleichung an städtische Lebensstile auf dem Land führt zur Erosion der Dorfgemeinschaft, zu sozialer Isolation und Lücken in der Versorgung, wobei wachsende Regionen besser gestellt sind als solche mit schrumpfender Bevölkerung. Denn eine klare Mehrheit der älteren Bevölkerung möchte lieber von professionellen Diensten als von Familienmitgliedern gepflegt werden. Wie auch andere Teilnehmer*innen misst die Referentin der Infrastruktur und den Wohnformen auf dem Land große Bedeutung zu.

Daniela Egger von der Aktion Demenz stellte einige Ergebnisse aus dem Beteiligungsprojekt „Guod ältor wedo im Heandorwold“ vor: Zu Hause alt werden, ist ein großer Wunsch vieler, doch Einsamkeit, das Gefühl mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen nicht mehr gebraucht und geschätzt zu werden, spricht gleichzeitig aus vielen Antworten der Befragten.

Heike Bischoff-Ferrari von der Universität Zürich befasste sich als Altersmedizinerin vor allem mit gesundheitlichen Aspekten des Älterwerdens. Ein langes, gesundes und selbstbestimmtes Alter hängt zu 70 Prozent von Lebensstilfaktoren ab, vor allem von der Ernährungsweise, Bewegung und sozialer Einbindung. Leichte Bewegung – wie sie etwa das von Kaba Dalla Lana vorgestellte Schweizer Programm „Zämegolaufe“ in losen Gruppen praktiziert – senkt die Sterblichkeit laut Studien um 40 – 62 %, und jedes Gespräch verjüngt erwiesenermaßen das Gehirn, verbessert u.a. die Gedächtnisleistung.

„Tätigwerden!“ ist denn auch die oberste Prämisse für den Philosophen und Schweizer Erfolgsautor Ludwig Hasler: Der Traum vom Glück im Nichtstun bleibt meist ein Traum; die bestgelaunten Älteren machen in ihrem Bereich einfach weiter; die Aufgaben und damit das Glück, z.B. gebraucht zu werden, würden vor der Haustür liegen. Es gehe wesentlich darum, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen, an etwas Größerem mitzuwirken, das den Einzelnen überdauert und damit nachhaltig Sinn ergibt. Die nur durch Älterwerden zu erwerbende Erfahrung, das „praxisgesättigte Wissen“ gelte es zu „verheiraten“ mit dem neuesten Forschungswissen der Jungen – „dann sind wir als Gesellschaft unschlagbar!“

Als erfolgreiche Praxisbeispiele wurden präsentiert:
„Zeitpolster“ (Gernot Jochum Müller), Betreuung älterer Menschen in den Pflegestufen 0-3 auf Bauernhöfen im Programm „Green Care“ der Landwirtschaftskammer (Daniela Keßler-Kirchmayr zusammen mit Brigitte Ratheiser vom Rabingerhof in Kärnten) sowie die „Telefonkette“ einer Gruppe von je 4 – 6 alleinstehenden älteren Person im Rahmen der Schweizer Initiative „benephone“ (Gudrun Berger).

Die Veranstaltung wurde fachkundig moderiert von Primarius em. Albert Lingg und seiner Tochter, der Architektin Eva Lingg.

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